Wege in die 5. SS-BB(E):
Der Weg von 11 aus Frankreich deportierten und später in der 5. SS-BB(E) eingesetzten Männern führte nach ihrer Haft in einem Sammellager in Frankreich zunächst in das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof bzw. dessen Außenlager Kochem. Sie arbeiteten in einer von der SS aufgebauten und von der Firma Bosch betriebenen unterirdischen Anlage für die Rüstungsproduktion (Untertageverlagerung) mit der Bezeichnung A 7 „Zeisig“ im nahe gelegenen Tunnel Bruttig-Treis.
Zu dieser Häftlingsgruppe gehörten 7 italienische Arbeiter aus dem von der Kommunistischen Partei Frankreichs dominierten antifaschistischen Widerstand im besetzten Département Moselle („CdZ-Gebiet Lothringen“). Es war im August 1940 von den Deutschen annektiert worden und unterstand bis 1944 einer deutschen Zivilverwaltung. Die Verhaftungen erfolgten zwischen Januar und Mai 1944 durch die Geheime Staatspolizei. Es handelt sich um:
Ubaldo Belucci, Leonardo Benacchio, Francesco Caterino, Ivo Cesaro, Francisco Damiani, Emilio Di Lucia und Antonio Tonon.
Vor ihrer Deportation waren sie alle Inhaftierte im Fort Metz-Queuleu. Nach der Übernahme durch die deutsche Wehrmacht im Jahr 1940 hatte das Fort Metz-Queuleu den Namen „Feste Goeben“ erhalten, den es schon von 1873 bis 1919 während der ersten Annektion Elsaß-Lothringens durch die Deutschen hatte. Zunächst diente es als Internierungslager für Kriegsgefangene (Stalag 122). Ab Oktober 1943 befand sich in der Kasematte A ein SS-Sonderlager für Mitglieder des französischen Widerstandes. Bis zur Auflösung des Lagers im August 1944 wurden hier insgesamt 1500 bis 1800 Gefangene verhört und interniert, bevor sie in Konzentrationlager deportiert wurden.
Spätestens im KZ Natzweiler kam ein achter italienischer Häftling hinzu, Guiseppe Ardizzone, der gemeinsam mit zwei weiteren französische Häftlingen, Emile Amiens und Camille Marius Berthet, am 12.5.1944 aus dem Sammellager Camp Compiégne-Royallieu zunächst nach Buchenwald deportiert worden war. Am 6.6.1944 wurden sie vom KZ Buchenwald in das KZ Natzweiler überführt und von dort in das Außenlager Kochem gebracht.
Der elfte französische Häftling, der über das Außenlager Kochem zur 5. SS-BB(E) kam, war Isidore Garcia. Auch er war zunächst im Sammellager Camp Compiégne-Royallieu inhaftiert. Garcia wurde jedoch am 27.4.1944 mit dem größten Transport von Nichtjuden aus dem Sammellager Royallieu zunächst in das KZ Auschwitz deportiert, bevor er am 14.5.1944 wie fast alle Männer des Transports in das KZ Buchenwald verlegt wurde. Von hier aus kam Garcia schon kurz darauf, am 14.6.1944, in das KZ Natzweiler und von dort in das Außenlager Kochem.
Hier blieben die genannten elf Häftlinge bis zur Auflösung des Außenlagers. Am 17.9.1944 wurden sie als Teil eines Kontingents von 1085 Häftlingen des Außenlagers Kochem in Lastwagen zum Bahnhof der Stadt transportiert und mit dem Zug in das KZ Buchenwald gebracht. Von dort aus wurden sie auf verschiedene Außenlager des Lagerkomplexes Mittelbau-Dora verteilt. Kurz darauf ordnete sie die SS der 5. SS-Eisenbahnbaubrigade zu, die am 15.10.1944 vom Bahnhof Berga-Kelbra aus nach Osnabrück verlegt wurde.
Einen anderen Weg zur 5. SS-BB(E) hatten weitere 12 französische Häftlinge. Sie wurden vom Sammellager Royallieu im Zeitraum zwischen Mai 1943 und Mai 1944 direkt in das KZ Buchenwald bzw. in das Außenlager und spätere KZ Mittelbau-Dora deportiert. Es waren:
Casimir Champion, Maurice Godard, Marcel Lanfumey, Albert Lepin, Roger Macrez, Aimé Mangin, Armand Martini, Antoine Mauduit, Joseph Moreau, Pierre Picod, Honoré Régaldi und Herman Rols.
Ein weiterer Häftling aus dem Sammellager Royallieu, Jean Dupré, wurde am 27.3.1943 zunächst in das KZ Mauthausen deportiert und am 8.8.1943 dem SS-Außenlager Wiener Neustadt zugeteilt. Nach der Auflösung des Lagers überstellte ihn die SS am 20.11.1943 in das KZ Buchenwald und von dort in das Außenlager Mittelbau-Dora und zur 5. SS-BB(E).
Über das Kriegswehrmachtgefängnis Paris-Fresnes kamen 3 Häftlinge mit dem gleichen Transport am 20.8.1944 nach Buchenwald bzw. in den Lagerkomplex Mittelbau-Dora und von dort zur 5. SS-BB(E):
Emile Bollaert, Èlie de Dampierre (alias Jean Decurninge) und Jaques Beaujard
Mit dem letzten Transport aus dem Sammellager Drancy wurde am 17.8.1944 Kurt Reilinger in das KZ Buchenwald und von dort in das Außenlager Mittelbau-Dora deportiert. Der aus Stuttgart stammende Reilinger leitete von Paris aus den Rettungswiderstand des niederländischen Hechaluz in Frankreich, der unter der Bezeichnung „Les Hollandais“ eng mit der Armée Juive zusammenarbeitete. Reilinger wurde am 27.4.1944 in Paris verhaftet und zunächst über mehrere Wochen im Kriegswehrmachtgefängnis Fresnes verhört.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass, neben den oben erwähnten 28 Häftlingen, mit der Überstellung von Austauschhäftlingen aus dem KZ Neuengamme am 20.12.1944 (80 Häftlinge) und am 9.3.1945 (100 Häftlinge) weitere französische bzw. aus Frankreich deportierte Häftlinge zur 5. SS-BB(E) gekommen sind. Hierfür gibt es bisher allerdings keine konkreten Nachweise.
Weiteres Schicksal der Häftlinge:
Die vorgenannten 28 aus Frankreich deportierten Häftlinge erlitten in der 5. SS-BB(E) unterschiedliche Schicksale, die nicht in allen Fällen mit abschließender Sicherheit zu klären sind.
Verbleib in der 5. SS-BB(E)
Von den 28 Gefangenen blieben nur 10 nachweislich bis zur Evakuierung der Häftlingsmannschaft durch das Schwedische Rote Kreuz nach Malmö am 11.5.1945 in der Brigade:
Guiseppe Ardizzone
Ivo Cesaro
Emilio Di Lucia
Jean Dupré
Marcel Lanfumey
Roger Macrez
Armand Martini
Honoré Régaldi
Kurt Reilinger
Herman Rols
Rückführungen in KZ-Stammlager
Während der gesamten Einsatzdauer der 5. SS-BB(E) von Oktober 1944 bis April 1945 führte die SS wiederholt kranke bzw. arbeitsunfähige Häftlinge in die KZ-Stammlager Mittelbau und Neuengamme zurück. Unter ihnen befanden sich mindestens 12 der aus Frankreich deportierten Häftlinge. Ihr Schicksal kann mit Hilfe der verfügbaren Quellen weitgehend rekonstruiert werden.
Rückführungen in das KZ Mittelbau-Dora:
Am 12.10.1944 wurden noch vom Aufstellungsraum des Zugverbandes der Brigade in der Nähe des Hauptlagers Mittelbau-Dora aus insgesamt 30 Häftlinge „krankheitshalber“ dorthin rückgeführt. Am 29.11.1944 überstellte die 5.SS-BB(E), nun bereits vom Einsatzort Osnabrück aus, weitere 49 Häftlinge, die krank oder arbeitsunfähig geworden waren, zurück zum KZ Mittelbau. Nach bisherigem Erkenntnisstand befanden sich unter den Zurückgeführten die Häftlinge:
Jaques Beaujard – Er war bereits am 23.10.44 wieder im Krankenrevier des Lagers Mittelbau. Danach verliert sich seine Spur.
Ubaldo Belucci – Er starb laut dem letzten Eintrag in das offizielle Totenbuch des KZ Mittelbau dort am 8.4.45.
Leonardo Benacchio – Er war bereits am 1.12.44 wieder im KZ Mittelbau. Nach der Evakuierung in das KZ Bergen-Belsen wurde er am 15.4.1945 dort befreit.
Emile Bollaert – Er kehrte vermutlich am 29.11.1944 von Osnabrück aus ins Lager zurück. Nach der Evakuierung in das KZ Bergen-Belsen wurde er am 15.4.1945 dort befreit.
Casimir Champion – Wann er in das Hauptlager zurückkehrte, ist unbekannt. Er wurde im März 1945 in das zentrale Kranken- und Sterbelager Boelcke Kaserne überstellt. Dort verliert sich seine Spur.
Isidore Garcia – Der Zeitpunkt der Rückkehr in das Hauptlager ist nicht bekannt. Nach der Evakuierung in das KZ Bergen-Belsen wurde er dort am 15.4.1945 befreit.
Aimé Mangin – Er kehrte vermutlich am 29.11.1944 von Osnabrück aus ins Lager Mittelbau zurück und wurde Mitte April 1945 befreit.
Antoine Mauduit – Er kehrte vermutlich am 29.11.1944 ins Lager Mittelbau zurück. Am 15.4.1945 wurde er im KZ Bergen-Belsen befreit, starb aber kurz darauf auf dem Rückweg nach Frankreich.
Rückführungen in das KZ Neuengamme:
Am 13.3.1945 schickte die SS erneut 130 Häftlinge der 5. SS-BB(E) „krankheitshalber“ in ein KZ-Stammlager zurück.[1] Die formale Zuständigkeit für alle SS-Baubrigaden hatte inzwischen ab 1.1.1945 zum KZ Sachsenhausen gewechselt. Die Häftlinge sollten jedoch nicht dorthin, sondern in das KZ Neuengamme bei Hamburg gebracht werden. Der Grund dafür ist in der militärischen Lage und im Frontverlauf zu diesem Zeitpunkt zu sehen. Da sich das KZ-Stammlager in Neuengamme bereits in Auflösung befand, mussten die Gefangenen jedoch umgeleitet werden. Von den französischen Gefangenen waren das:
Camille Marius Berthet – Er wurde am 5.4.45 vermutlich über Neuengamme in Richtung Männerlager des KZ Ravensbrück transportiert. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.
Èlie de Dampierre alias Jean Decurninge – Er wurde in das Kriegsgefangenenlager STALAG X B in Sandbostel bei Bremen umgeleitet und dort am 29.4.1945 befreit.
Albert Lepin – Er wurde am 5.4.45 vermutlich über Neuengamme zum Männerlager des KZ Ravensbrück transportiert und dort am 30.4.45 befreit.
Joseph Moreau – Er wurde ebenfalls am 5.4.45 weiter in Richtung Männerlager des KZ Ravensbrück transportiert, starb aber auf dem Weg dorthin zu einem unbekannten Zeitpunkt vermutlich in Watenstedt bei Salzgitter.
Todesfälle in der 5. SS-BB(E)
Todesfälle von aus Frankreich deportierten Häftlingen während des Einsatzes in der 5.SS-BB(E) in Osnabrück bzw. auf deren Rückzugsweg Richtung Norden sind bisher noch nicht eindeutig zu belegen. Es gibt jedoch zahlreiche Indizien dafür. Bei folgenden Personen liegt eine entsprechende Vermutung nahe:
Emile Amiens – Als Todesdatum für ihn ist im Livre 9000 der 30.3.1945 angegeben. Da die Brigade erst am Samstag den 31.3.1945 aus Osnabrück abgezogen wurde, ist Amiens vermutlich noch dort gestorben.
Francesco Caterino – Nach dem Krieg wurde als Todesort das KZ Dachau und als Datum der 15.9.1944 amtlich festgelegt. Diese Angaben sind falsch. Tatsächlich wurde Caterino noch am 17.9.1944 in das KZ Buchenwald deportiert und später der 5. SS-BB(E) zugeordnet. Seine Spur verliert sich erst nach Oktober 1945.
Francisco Damiani – Nach dem Krieg wurde für ihn das KZ Natzweiler als Todesort und als Datum der 27.7.1944 angegeben. Diese Angaben sind falsch. Tatsächlich wurde Damiani noch am 17.9.1944 in das KZ Buchenwald deportiert und später der 5. SS-BB(E) zugeordnet. Seine Spur verliert sich erst nach Oktober 1945.
Maurice Godard – Er soll nach bis zum Abzug der Brigade aus Osnabrück dort gewesen sein. Am angegebenen Todestag, den 22.3.1945, waren keine externen Arbeitskommandos eingesetzt. Statt dessen fanden Rangierarbeiten für die Zusammenstellung eines 2. Bauzuges auf dem Gelände des Güterbahnhofs Osnabrück-Hörne statt. Godard ist also vermutlich dort gestorben.
Pierre Picod – Sein Todesdatum wurde nach dem Krieg auf April 1945 festgelegt. Da sich die 5. SS-BB(E) nach dem Abzug aus Osnabrück am 31.3.45 nacheinander in Syke, Brake, Nordenham und Wesermünde im Einsatz befand, müsste der Todesfall auf dieser Strecke eingetreten sein.
Antonio Tonon – Er starb nach Aussagen von Mithäftlingen wenige Tage vor der Befreiung und der Übernahme der Gefangenen durch das Schwedische Rote Kreuz am 7.5.1945 an Bord des Schiffes Rheinfels. Tonon würde damit zu den letzten Toten der 5. SS-BB(E) gehören.
Liste der aus Frankreich deportierten Häftlinge in der 5. SS-BB(E)
Name | Vorname | Geburtsdatum | Geburtsort | Todesdatum |
Amiens | Emile | 07.07.23 | Crecey | 30.3.45 |
Ardizzone | Guiseppe | 06.09.03 | Catania/ Italien | überlebt [2] |
Beaujard | Jaques | 26.2.02 | Paris | 11.4. 45 amtl. [3] |
Belucci | Ubaldo | 9.9.17 | Gubbio/ Italien | 8.4.45 amtl. |
Benacchio | Leonardo | 15.11.15 | S.Nazario/ Italien | überlebt |
Berthet | Camille Marius | 8.1.13 (8.7.13) | Cuisiat | 5.4.45 vermisst |
Bollaert | Emile | 13.11.90 | Dunkerque | überlebt |
Caterino | Francesco | 23.9.90 | Corato/Italien | 15.9.44 amtl. |
Cesaro | Ivo | 25.9.05 | Sta.Marguerita/ Italien | überlebt |
Champion | Casimir | 7.12.05 | Eu | 19.3.45 vermisst |
Damiani | Francisco | 28.7.02 | Poggio Picenza/ Italien | 27.7.44 amtl. |
De Dampierre | Èlie | 2.12.17 | Evreux | überlebt |
Di Lucia | Emilio | 28.5.05 | Gualdo Tadino/Italien | überlebt |
Dupré | Jean | 30.10.20 | Paris | überlebt |
Garcia | Isidore | 04.04.10 | Peyhorade | überlebt |
Godard | Maurice | 15.04.11 | Hanoi/Frz. Indochina | 22.3.45 amtl. |
Lanfumey | Marcel | 20.1.20 | Alfortville | überlebt |
Lepin | Albert | 21.11.19 | Pelousey | überlebt |
Macrez | Roger | 13.9.21 | Bezons | überlebt |
Mangin | Aimé | 22.3.98 | Allarmont | überlebt |
Martini | Armand | 8.10.10 | Sora/Italien | überlebt |
Mauduit | Antoine | 08.02.02 | Le Chesnay | 9.5.45 |
Moreau | Joseph | 14.05.97 | Cuon | 11.4.45 amtl. |
Picod | Pierre | 18.01.21 | Cezia | 04/45 amtl. |
Regaldi | Honoré | 22.11.97 | Castellamonte/ Italien | überlebt |
Reilinger | Kurt | 5.12.17 | Stuttgart/ Deutschland | überlebt |
Rols | Herman | 13.12.17 | La Bastide-sur-l´Hers | überlebt |
Tonon | Antonio | 24.6.00 | Vitorio Veneto/Italien | 7.5.45 amtl. |
[1] Veränderungsmeldung des KZ Sachsenhausen vom 21.3.1945. Archiv Sachsenhausen JSU 1/101, Bl. 065. (Original: FSB-Archiv Moskau N-19092/Tom 101, Bl. 065).
[2] Person lebte noch nach Mai 1945.
[3] Nach Kriegsende amtlich festgelegtes Todesdatum. Das Todesdatum muss nicht dem tatsächlichen Todesdatum entsprechen.
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